Von gemeinsamen Werten und gemeinschaftlichem Werken: Katholische Kirche und New Work

Ein angemieteter Arbeitsplatz auf Zeit, ein fester Kern hauptamtlicher Mitarbeitender und ein wechselnder Kreis von Menschen aus unterschiedlichen Branchen: diese Zufallsgemeinschaft bunt zusammengewürfelter Menschen teilt sich kurz- oder langfristig Räume mit vorhandener technischer Infrastruktur. 

Dieser Co-Working Space, also Zusammen-Arbeiten-Raum, stellt die erste Säule der Villa Gründergeist dar. Die abzudeckenden Bedürfnisse erstrecken sich von Einzelarbeit als Tapetenwechsel zum Homeoffice über Gruppenräume für Teamarbeit bis zum Netzwerken durch Begegnung an der Kaffeemaschine. 

Dass das ehemalige Jugendzentrum nicht zufällig „Villa Gründergeist“ heißt, verkörpert die zweite Säule: Im „Innovationszentrum“ werden nicht nur, aber vor allem Projekte unterstützt, die der Entwicklung von Kirche dienen und ihr „ein neues Gesicht geben wollen“. Vorrangig junge Menschen mit zukunftsweisenden Ideen tummeln sich hier. Dritte Säule schließlich ist der „Social Hub“, wo die Villa Zeit und Raum stellt. Externe oder eigene Veranstaltungen thematisieren die kleinen und großen gesellschaftlichen Fragen. 

„Wir glauben, dass sich die Zukunftsfragen von Welt und Gesellschaft ebenso wie die von Glauben und Kirche nur gemeinsam thematisieren lassen. Unsere Villa ist der Ort, an dem junge Menschen Ideen für die Welt von morgen entwickeln und weiter denken.“

So fasst David Schulke es zusammen, wofür das Projekt steht. Als Mitgründer ist er heute der Leiter, der beide Welten kennt: das katholische Umfeld und die Kommunikationsbranche. Er begann nach dem Studium bei der Kolpingjugend Osnabrück, wechselte als PR-Berater zum Landesjugendring Hessen und landete schließlich als Abteilungsleiter Jugend Anfang 2015 im Bistum Limburg. Fortan begleitete er fünf Jahre intensiv Veränderungsprozesse mit jungen Menschen, die als Berufseinsteiger:innen Wechsel und Bewegung in das Bistum brachten. 

Dann suchte das Bistum für ein Objekt direkt bei der Alten Oper in der Frankfurter Innenstadt Gestaltungsmöglichkeiten: Schulke mit weiteren Mitstreiter:innen entwickelte eine Plattform für junge Menschen und neue Ideen, was wiederum den Grundstein legte für die „Villa Gründergeist“. Eröffnet wurde Ende 2019, seit Anfang 2020 ist er Vollzeit in der Villa mit zwei hauptamtlichen Kolleginnen tätig. Noch gut erinnert er sich an den holprigen Beginn und Widerstände, auch aus den eigenen Reihen des Bistums. 

„Am Anfang standen wir vor der Frage: Wir haben ein nahezu leeres Haus, wie können wir wieder Leben hineinbringen? Baulich haben wir heute immer noch ein paar Fragezeichen, aber inhaltlich gibt es mittlerweile einige Ausrufezeichen.“

Selbst einen längeren „Leitungskonflikt“ mit der damaligen Leitung des Hauses und dem Limburger Bischof Tebartz-van Elst betrachtet er als „Teil des Kairos der Idee“, Teil dieses Hauses, das eine Zeitlang brachlag und schwierig zu positionieren war. Weg vom Jugendtreff im Geist der Siebziger, der der Jugendarbeit und Junge-Erwachsene-Arbeit entwachsen war – obwohl er seinerzeit die Nachbarschaft auch schon überraschte, so Schulke: „Yoga und QiGong, hier? Das war starke Arbeit, aber jetzt war die Zeit reif für etwas Neues. Wir haben überlegt, was die Stärken sind. Und waren uns einig: ganz klar dieser Ort und dieser Raum.“

Die Zielgruppe der jungen Erwachsenen mit ihren Fragen und ihrem Gestaltungswillen war spannend; ihr sollte der Raum gelten, um Synergien identifizieren und Unterstützenswertes finden zu können. Es fehlte nur noch das passende „Fass“, in das all dies hineinfließen könnte. 

„So kamen wir auf das Co-Working: Ein Ort, wo Menschen Tag für Tag hinkommen können, gemeinsam arbeiten, Community teilen. Heute ärgere ich mich, dass wir das nicht eher gemacht haben, aber es hat sich einfach nach und nach entwickelt. Und irgendwann sind wir zum ersten Mal gesprungen und haben eröffnet, wohlwissend, dass es noch nicht abgeschlossen ist“, so Schulke.  

Schulke zeigt während des Onlinetalks Fotos aus der Villa: den mühsam freigelegten Dielenboden. Den Veranstaltungsraum, den das hauptamtliche Team selbst nutzt, vor allem jedoch vermietet. Tischreihen, an denen mehrere Menschen sitzen. Den „Co-Create-Raum“ mit Balkon. Den Meditationsraum, der in die Jahre gekommen ist, aber von vielen Menschen regelmäßig genutzt wird. Die „Keimzelle“ des Co-Working, wo Menschen sich einen festen Platz am Tag aussuchen können, um dort als Team oder in Stille zu arbeiten, die Wand für Mindmaps und Präsentation zu verwenden… für jede Arbeitssituation herrschen die nötigen Rahmenbedingungen. 

Dabei spielt die Digitalisierung, zusätzlich befeuert durch die Corona-Pandemie, eine große Rolle. Aktuell wird alles ins Digitale übertragen, eigene Formate ebenso wie der Support für  Menschen aus dem Bistum, die ihre eigenen Angebote digitalisieren wollen. 

„Bei allem, was wir tun, verstehen wir uns schwerpunktmäßig nicht als reiner Vermieter“, führt Schulke aus. Thematische Schnittmengen und externe Plätze für Menschen, die soziale Innovationen vorantreiben wollen, stünden im Fokus. Der Glaube sei dabei ein mögliches, aber nicht zwingend verbindendes Element:

„Ein Projekt im Haus will eine katholische Schule in Trägerschaft der Malteser bauen. Ein anderes macht Demokratieprojekte über Hiphop mit Jugendlichen ohne dezidiert christlichen Background. Wenn wir Social Startups unterstützen, können wir Veränderungen mit anstoßen. Die zweite Säule ist unsere These, dass wir dabei viel lernen können, wenn wir uns mit Menschen, die an diesen Fragen dran sind, auseinandersetzen. Und da wollen wir Austausch unter den Gruppen untereinander ermöglichen.“ 

Derzeit ist der Co-Workingspace-Bereich eine Mischkalkulation, der selbsttragend werden kann. Abwegig ist das nicht, da die Villa bisher noch nie aktiv selbst Werbung betreiben musste. Denn auch das Bistum Limburg hat den Mehrwert der Villa längst erkannt: früh ist das Team der Berufungspastoral eingezogen, das laut Schulke eine große Schnittmenge aufweise.

Bisher gebe es keinen Kanon dazu, nach welchen Werten zusammen gelebt und gearbeitet wird, so Schulke. Das ergebe sich ganz natürlich. Problematisch sei nur ab und zu die Küche, wo ähnlich einer WG-Küche manchmal zum Abwaschen ermahnt werden muss. Das Besondere sei vielmehr die starke Kommunikationskultur: 

„Ich bin in meinem ganzen Berufsleben noch nie so oft gefragt worden ‚worauf denkst Du gerade herum? Was ist Dein Ziel für diese Woche?‘ Wir haben ein echtes Interesse am Gegenüber und am Austausch, und das ist mir letztlich viel wichtiger als der Zustand der Küche. Was wir bisher aus der Villa Gründergeist herausgeholt haben, überwiegt bei weitem jegliche Befürchtung, dass etwas schiefgehen könnte.“